„Die Geschichte des Verlages ist eine Geschichte über Deutsche und Tschechen.“
Darmstädter Echo
Zur Geschichte des Verlages
Im Prager Stadtviertel Smíchov, wo sich um den Klamovka-Park schmucke Villen erheben, da hat der 1993 gegründete Vitalis-Verlag seinen Redaktionssitz. Ein handverlesenes Kollegium stellt hier Bücher von gediegener Qualität her und pflegt den gutbegründeten Ruf eines unabhängigen europäischen Verlagshauses im böhmischen Herzen des Kontinents. Mehrsprachigkeit gehört zum besonderen Profil des Verlages – zahlreiche Titel wurden nicht nur in deutsch, sondern auch in englisch, französisch, spanisch, italienisch und russisch aufgelegt, mitunter auch in tschechisch, japanisch, chinesisch oder koreanisch. Der Weg von den Anfängen auf der Prager Kleinseite bis zum angesehenen Verlagshaus war abenteuerlich, verwegen, zuweilen verhängnisvoll, wie etwa 2002, als Vitalis buchstäblich in den Fluten der Moldau versank. Zwischen Hamburg und Graz berichteten die Blätter über die „versunkene Literatur“ von Prag. Kaum war das Wasser abgelaufen, da liefen die Druckmaschinen wieder auf Hochtouren. Mit dem Flutband Prag unter Wasser glückte die Rückkehr nach der Katastrophe, was niemand für möglich gehalten hatte, gelang: Die versunkene Literatur von Vitalis tauchte wieder auf. Und dazu in rascher Folge hunderte neue Titel – Sachbücher, Bildbände, Prosa, Kalender.
Über das Verlagsprogramm
Betrachten wir einige besondere Gewächse auf der weiten Verlagswiese im Einzelnen. Da fallen zunächst die Rosen im Eingangsbereich ins Auge: Bildbände mit glänzenden Ansichten der kaiserlichen Städte Prag und Wien, Reiseführer, Rezeptsammlungen mit den kulinarischen Köstlichkeiten Prags und der k. u. k Monarchie, reich illustrierte Lebensbilder aus dem alten Österreich wie Klimt, Schiele, Peter Rosegger, Johann Strauss, Kaiser Franz Joseph oder die Kaiserinen Sisi und Maria Theresia – unübersehbar rankt sich die Kulturgeschichte der k. u. k. Monarchie um die Gemäuer des Verlages.
Stattliche Bäume stehen auf der literarischen Vitalis-Wiese beisammen: Franz Kafka, Jan Neruda, Adalbert Stifter, Božena Němcová, Marie Ebner-Eschenbach, Gustav Meyrink, Rainer Maria Rilke oder Paul Leppin. Das Wurzelwerk für die vielen typographisch und gestalterisch erstklassigen Literaturausgaben bieten biographische Werke wie Gestern abend im Café, Kafkas Wien, Mit Kafka in den Süden oder Gustav Meyrink – Ein Leben im Bann der Magie, Monographien aus der Feder des Literaturprofessors Hartmut Binder, die in keiner germanistischen Bibliothek fehlen dürfen.
Ein fröhlich-buntes Blumenbeet bilden die Bände mit österreichischen oder tschechischen Märchen, liebevoll gestaltet von der südböhmischen Illustratorin Lucie Müllerová. Über die sieben Berge hinweg schaut Rübezahl ins Verlagsprogramm, der als böhmisch-schlesischer Göttervater ewiges Heimatrecht im Vitalis Verlag besitzt. Und wem bei soviel Literatur der Magen knurrt, der findet sicher die passende Speise in der Böhmischen Küche oder in der Kaiserlichen Hofküche.
Ein wenig Schatten fällt in den rückwärtigen Teil des Gartens: Da stehen Bücher, die sich den dunklen Themen der Vergangenheit annehmen, etwa Kinderschicksale in den Wirren der Nachkriegszeit von Olga Fierz oder Herma Kennels BergersDorf, das nach mehr als 60 Jahren eine blutige Mordtat ans Licht brachte und damit die tschechischen Ermittlungsbehörden bis zur Exhumierung der Gebeine auf Trab hielt.
Wer sich durch soviel erdige Wissenschaft gegraben hat, der darf das eine oder andere Blümchen abzupfen im Blumenbeet der Künstlerecke: die liebenswürdigen und sehr populären Vitalis-Minikalender zu zahlreichen Kunstthemen, von Arcimboldo bis Toulouse-Lautrec.
Auf keinen Fall versäumt werden sollte ein Besuch im vitalen Kräutergärtlein des Verlages, in dem man sich der Kulturgeschichte der Medizin widmet, wie im Sammelband Mit Feder und Skalpell – Grenzgänger zwischen Literatur und Medizin. Zum 150. Geburtstag des Dichterarztes Hans Kloepfer erschien 2017 die große Bildbiographie Aber Arzt bin ich geblieben und 2018 der vielbeachtete Band Die Spanische Grippe – Eine Geschichte der Pandemie von 1918, der zur Grundlage eines Dokumentarfilms des Tschechischen Fernsehns wurde.
Und wie wird es im nächsten Frühling aussehen im Vitalis-Garten? Manch vielversprechendes Zwiebelchen ist schon gesteckt und treibt derzeit seine Wurzeln – lassen Sie sich überraschen!