Die Vitalis-Buchhandlung im Goldenen Gäßchen
Zlatá ulička 22, Prager Burg
Die Vitalis-Bücherstube im Goldenen Gäßchen Nr. 22 befindet sich in einer der wichtigsten literarischen Stätten Prags: Es ist das romantische Häuschen, in das sich der damals 33-jährige Franz Kafka um 1916/17 für einige Zeit zum Schreiben zurückzog. Während des Zweiten Weltkrieges wohnte der Prager Verleger Otakar Štorch-Marien zeitweise in dem bescheidenen Stübchen.
Die Buchhandlung hat jeden Tag geöffnet, die Öffnungszeiten wechseln nach den Jahreszeiten (im Sommer bis in die Abendstunden hinein). Das Geschäft ist als Verlagsbuchhandlung geführt – alle Vitalis-Bücher sind hier zu Prager Bestpreisen erhältlich. Häufig gibt es günstige Angebote. Wer Kafka mag, kann hier zwischen Büchern, Heftchen, Bleistiften, Plakaten und vielem mehr auswählen. Zu den Büchern in deutsch, englisch, französisch, spanisch, italienisch, russisch, chinesisch, tschechisch und koreanisch werden schöne Ansichtskarten angeboten, dazu Minikalender und eine Kollektion von Pragmotiven auf Magneten. Achtung! Wer ins Goldene Gäßchen will, muß zunächst eine Eintrittskarte der Burgverwaltung lösen. Von April bis September ist der Eintritt ins Gäßchen nach 17.00 Uhr auch ohne Eintrittskarte möglich; von Oktober bis März sogar nach 16.00 Uhr.
Interview mit dem Leiter der Buchhandlung, erschienen auf radio3 rbb.
„Zum Spaß fragten wir in dem kleinen Gäßchen nach. Ja, ein Häuschen wäre im November zu vermieten. Ottla, die auch, aber in ihrer Art, Ruhe sucht, verliebte sich in den Gedanken, das Haus zu mieten ... Es hatte viele Mängel des Anfangs, ich habe nicht Zeit genug, um die Entwicklung zu erzählen. Heute entspricht es mir ganz und gar. In allem: der schöne Weg hinauf, die Stille dort, von einem Nachbar trennt mich nur eine sehr dünne Wand, aber der Nachbar ist still genug; ich trage mir das Abendessen hinauf und bin dort meistens bis Mitternacht; dann der Vorzug des Weges nach Hause: ich muß mich entschließen aufzuhören, ich habe dann den Weg, der mir den Kopf kühlt. Und das Leben dort: es ist etwas Besonderes, sein Haus zu haben, hinter der Welt die Tür nicht des Zimmers, nicht der Wohnung, sondern gleich des Hauses abzusperren; aus der Wohnungstür geradezu in den Schnee der stillen Gasse zu treten. Das Ganze zwanzig Kronen monatlich, von der Schwester mit allem Nötigen versorgt, von dem kleinen Blumenmädchen (Ottlas Schülerin) so geringfügig als es nötig ist bedient, alles in Ordnung und schön.“
Franz Kafka an Felice Bauer
„Nach Deinem Weggehn war ein großer Sturmwind im Hirschgraben, vielleicht zufällig, vielleicht absichtlich. Gestern habe ich im Palais verschlafen; als ich ins Haus hinaufkam, war das Feuer schon ausgelöscht und sehr kalt. Aha, dachte ich, der erste Abend ohne sie und schon verloren. Aber dann nahm ich alle Zeitungen und auch Manuskripte und es kam nach einiger Zeit doch ein sehr schönes Feuer zustande.“
Franz Kafka an seine Schwester Ottla
An diesem romantischen Ort entstand ab Spätherbst 1916 eine ganze Reihe bedeutender Texte Franz Kafkas, unter anderem jene Erzählungen, die 1920 in der Sammlung Ein Landarzt veröffentlicht werden sollten. Kafka pflegte meist die Abendstunden in dem Häuschen im Goldenen Gäßchen zu verbringen, nachdem er die Arbeiten des Tages verrichtet hatte. Über Nacht konnte er in dem kleinen Raum freilich nicht bleiben, so ging er meist in den frühen Morgenstunden oder gegen „Mitternacht über die Alte Schloßstiege zur Stadt hinunter“ und kehrte über die damals noch neue Mánes-Brücke und die Karpfengasse in seine Wohnung in der Altstadt zurück.