Vom heiligen Feuer
Die Bettelmönche des Antoniterordens kümmerten sich um die Pflege der Unglücklichen, die mit Claviceps purpurea (Mutterkornpilz) verunreinigtes Korn genossen hatten. Die toxischen Alkaloide des Mutterkorns, eines schwarzen, vor allem den Roggen befallenden Pilzkörpers, rufen starkes Brennen, das „Heilige Feuer“, den „Mutterkornbrand“ oder auch das „Antoniusfeuer“ hervor – in der nüchternen Fachsprache Ergotismus. Die Folge sind Durchblutungsstörungen und Nekrosen der Akren, Darmkrämpfe und Halluzinationen, in höheren Dosen Atemlähmung und Kreislaufversagen.
Der „purpurrote Hahnenpilz“ oder das „Hungerkorn“, wie man sagte, war eine typische Massenerkrankung der Armen und eine Folge des Verzehrs ungereinigten Korns. Nicht selten wurde das „Tollkorn“ (und dessen Inhaltsstoff Ergometrin) auch ganz bewußt verzehrt, etwa wenn die Wehen angeregt und damit ein Abortus hervorgerufen werden sollte. Auch therapeutische Gaben waren, zumindest in der Volksmedizin, im Schwange, etwa bei Wehenschwäche, niederem Blutdruck oder Migräne. Und dann ist da auch noch das psychedelische Derivat der Lysergsäure zu nennen, das als stark halluzinogenes Mutterkornalkaloid in der Natur vorkommt. Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann hatte LSD im Zuge seiner Mutterkornforschung 1938 erstmals hergestellt. Am 19. April 1943 prüfte er die Substanz im Selbstversuch und erlebte den vermutlich ersten LSD-Trip der Geschichte.