Tradition und Neuerung – Das Burgtheater
Lautstark und wiederholt wurden die NS-Verstrickungen des Hauses an den Pranger gestellt. Nachdem er keine Intendanz erhalten hatte, goss ein enttäuschter Thomas Bernhard 1984 in Holzfällen einen Sturzbach ätzender Säure über Schauspielern und Regisseuren aus. Ob nun berechtigt oder nur berechnet, machen solche Skandalgewitter in jedem Falle deutlich, wie sehr das Burgtheater für die Wiener Literatur wie auch für die Wiener selbst zu einem Ort geradezu mythischer Größe und Wichtigkeit geworden ist. Als eine der bedeutendsten und ältesten deutschsprachigen Bühnen überhaupt ist der Ruf an die „Burg“ für Schauspieler, Regisseure und Bühnenautoren ein unbestreitbares Siegel der Qualität, eine Premiere oder Kritik ein Kulturereignis, das nicht nur den Wienern, sondern Theaterfreunden weltweit manche Mühen sowie alle Auf- und Erregung wert ist. Kaiser Joseph II. hatte das damals noch am Michaelerplatz befindliche „k. k. Theater nächst der Burg“ zum Hof- und Nationaltheater erhoben. Im Oktober 1888 bezog man das neue Haus am Ring, wo man nun auf mehr als 120 Jahre bewegter Aufführungsgeschichte zurückblickt – von Uraufführungen Shaws, Schnitzlers und Zuckmayers führt eine ununterbrochene Traditionslinie bis in die Gegenwart. Eine Linie, die insbesondere in der Nachkriegszeit, unter der Federführung längst ihrerseits legendärer Intendanten wie Gerhard Klingenberg und Claus Peymann, oft genug auch Neuland des Theaters umriss.
Man hat mich gefragt: „Warum ist dieses Theater so unzerstörbar in seiner Idee? Warum lebt dieses Theater mehr denn alles andere?“ Ich glaube, ich habe die Lösung gefunden: Dieses Theater war nie eine Angelegenheit von ein paar wenigen Leuten, sondern dieses Theater ist wirklich aus dem Herzen Wiens, aus dem Herzen Österreichs und aus dem Herzen Europas gewachsen.
Adolf Rott (1955)