Daniel Spitzer – Der Vater der Flaneure
„Wenn die Wiener Journalistik auf eine Erinnerung stolz zu sein hätte, so wäre es die an Daniel Spitzer“, befand Karl Kraus. Ein rares Lob – üblicherweise verteilte der oberste Literaturkritiker Wiens statt Blumen eher verbale Ohrfeigen an die „Journaille“. Und erhielt, das nur nebenbei, dafür auch schon einmal echte retour. Fraglos aber war Daniel Spitzer (1835–1893) eine Ausnahmeerscheinung. Ein hell leuchtender Punkt am Himmel des Wiener Zeitungswesens und der Leitstern der späteren Flaneurliteratur.
Acht Jahre des Beamtendienstes scheinen eine glühende Sehnsucht nach Bewegung in dem Juristen ausgelöst zu haben: Nach seiner Demission schrieb er für die nächsten 27 Jahre eine Kolumne, die ihn weit über Wien und auch weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt machen sollte: die „Wiener Spaziergänge“. Über 600 Feuilletons umfasste die Reihe zuletzt und ihre Lektüre gehörte in bürgerlich-liberalen Kreisen zu den unbedingten Sonntagspflichten. Gebildete Plaudereien, Alltagsbeobachtungen eines notorisch Schlendernden, in die aber mit scharfer Feder und einem ebenso geschliffenen Verstand ein Profilbild der Zeit und ihrer Menschen eingegraben war. Auch spätere Autoren haben sich in dieser scheinbar so leichten Kunst geübt: Berühmte Namen wie Polgar, Kerr, Auburtin und selbst Benjamin und Roth führen Spitzer in ihrer literarischen Ahnenreihe. Wien jedoch hat keiner je wieder so wahrhaft bewandert beschrieben wie Daniel Spitzer.
Es ist interessant, dass die meisten österreichischen Dichter früher Beamte waren – ja, Müßiggang ist aller Laster Anfang.
Daniel Spitzer (1881)