Objektiv, sachlich, rot – Egon Erwin Kisch in Wien
Links außen, von wo man den besten Blick auf den rechten Ort zur rechten Zeit hat, war sein Platz. Dort warf er den Hut in den Nacken, die Zigarette in den Mundwinkel und zückte den Notizblock. In verschnörkelter Schrift und glasklarem Stil notierte er die ganze Wahrheit und nichts als diese. So kennt die Legende den „Rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch (1885–1949). Eine Legende, die sich der Prager zu einem nicht unerheblichen Teil selbst auf den bunt tätowierten Leib geschneidert hat. Im Leben des rasenden Kisch auf der Hetzjagd durch die Zeit (1926), so der Titel einer Reportagensammlung, spielte Wien eine recht kurze, aber wichtige Rolle. 1917 kam er in das Kriegspressequartier der Hauptstadt, das eine Sammelstelle hochkarätiger Schriftsteller war. Hier traf Kisch unter anderem auf Joseph Roth und Alfred Polgar, die seine Kollegen beim Wiener Neuen Tag werden sollten. Und hier fand auch die Wandlung Kischs, der zuvor allenfalls in seinem Prager Fußballklub als linke Sturmspitze aufgefallen war, zum rustikalen Kommunisten statt. 1918 wurde der „mutige Stilist und feinsinnige Revolutionär“, wie Polgar stichelte, gar Kommandant der Roten Brigade und ließ den wilden Haufen die Redaktion seines Bruders bei der Neuen Freien Presse stürmen. So berichtet uns Friedrich Torberg. Als der Prager Wirbelwind Kisch 1920 Wien verließ, hatte er jedenfalls deutliche Spuren seines Wirkens hinterlassen – und seinem eigenen Leben eine Wende gegeben.
Weißt Du, mir kann eigentlich nichts passieren. Ich bin Deutscher. Ich bin Tscheche. Ich bin ein Jud. Ich bin aus gutem Hause. Ich bin Kommunist. Ich bin ein Corpsbursch. Etwas davon hilft mir immer.
Egon Erwin Kisch an F. Torberg (1938)