Im Schlaf zur Legende – Der Liebe Augustin
Im Laufe von zweitausend Jahren bewegter Stadtgeschichte hat sich ein reiches Rankenwerk von Legenden um Wien und seine Bewohner gelegt. Einige findet der Suchende wohl nur noch in den Archiven der Nationalbibliothek. Andere aber leben bis heute fort, wandern noch von Mund zu Mund und von Kinderohr zu Kinderohr: Jeder Wiener kennt die Geschichte von der Spinnerin am Kreuz oder von der Kegelpartie, die der Teufel einst auf dem Stephansdom schob. Die Stadt mag heute eine andere sein als vor hundert und mehr Jahren, doch der Schatz an Volkslegenden weist noch immer den kürzesten Weg zu ihrem Herzen.
Einen legendären Wiener kennt man weit über die Stadtgrenzen hinaus durch das Volkslied „O Du lieber Augustin“. Das allerdings ist erst um 1800 entstanden. Der eigentliche „Liebe Augustin“ (um 1645–1685) war ein Spielmann und Bänkelsänger. Ein stadtbekannter Kauz, der in Kneipen musizierte, meist aber weder sich noch das erspielte Geld wieder heil aus dem Schankraum herausbrachte. Zur Legende wurde er in finsteren Zeiten: Die Pest drückte Wien nieder. Der Augustin aber hatte sich einen derart tüchtigen Rausch angetrunken, dass die Siechknechte den auf der Gasse Schlafenden für tot hielten und in die Pestgrube warfen. Dort hatte er anderntags ein böses Erwachen, entstieg dem Massengrab ansonsten jedoch „pumperlgsund“. Und so wurde der Unverwüstliche zu einem Symbol der Hoffnung. Seit jeher gilt: Ein echter Wiener geht nicht unter.
O Du lieber Augustin, Augustin, Augustin,
O Du lieber Augustin, alles ist hin.
Geld ist hin, Mädl ist hin,
Alles ist hin, Augustin
O, du lieber Augustin, Alles ist hin.
Rock ist weg, Stock ist weg,
Augustin liegt im Dreck,
O Du lieber Augustin,
Alles ist hin.
Und selbst das reiche Wien,
Hin ist’s wie Augustin;
Weint mit mir im gleichen Sinn,
Alles ist hin!
Jeder Tag war ein Fest,
Jetzt haben wir die Pest!
Nur ein großes Leichenfest,
Das ist der Rest.
Augustin, Augustin,
Leg’ nur ins Grab dich hin!
O Du lieber Augustin,
Alles ist hin!
Volkslied (um 1800)