Hugo von Hofmannsthal – Lichtfigur und Jedermann
Angespannt wartete Hermann Bahr, der Kopf des „Jungen Wien“, im Café Griensteidl: Gleich sollte er den Verfasser jener kostbaren Zeilen kennenlernen, die ihm unter einem Pseudonym zur Veröffentlichung angetragen worden waren. Als Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) sich vorstellte, war Bahr wie vom Donner gerührt: Kein Professor für Ästhetik, kein eminenter Dichter stand vor ihm, sondern ein artiger, etwas scheuer Gymnasiast von gerade einmal 17 Jahren. Aus dem Nichts war der Bankierssohn mit Gedichten und Dramen hervorgetreten, die einer ganzen Generation von Literaten und Kunstbeflissenen zum funkelnden Leitstern wurden – seit dem jungen Goethe, so staunten Stefan Zweig, Arthur Schnitzler und die anderen „Jungwiener“, hatte man nichts Vergleichbares gekannt. Stefan George, der große „Künder und Seher“, veröffentlichte Hofmannsthals Der Tod des Tizian (1892). Nicht eine Freundschaft, sondern ein hochgespannter Stromkreis schloss sich zwischen beiden. Doch die endgültige Abwendung von George und dessen mystischem und elitärem Kunstverständnis erfolgte schon 1902 mit dem Chandos-Brief. Hofmannsthal suchte nun den „Anschluss an die große Form“, versuchte die problematische Verbindung von Kunst und Leben neu zu knüpfen. Zu den populärsten Blüten dieser Neuorientierung zählen die Zusammenarbeit mit Richard Strauss bei den Opern Elektra (1909) und Rosenkavalier (1911), sowie das religiöse Mysteriendrama Jedermann (1911).
Wasser stürzt, uns zu verschlingen,
Rollt der Fels, uns zu erschlagen,
Kommen schon auf starken Schwingen
Vögel her, uns fortzutragen.
Aber unten liegt ein Land,
Früchte spiegelnd ohne Ende
In den alterslosen Seen.
Marmorstirn und Brunnenrand
Steigt aus blumigem Gelände,
Und die leichten Winde wehn.
Hugo von Hofmannsthal, Reiselied (1898)