Franz Grillparzer – Die schwere Liebe zu Wien
Am 29. Dezember 1863 wurde Franz Grillparzer (1791–1872) zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt. Ein verdienter Titel für den 72-jährigen Hofrat in Pension, dessen Bühnenwerk zum größten der deutschen Sprache gehört und bis heute seinen festen Platz in den Spielplänen hat. In einem Stammbuch hinterließ er einst die Widmung „Hast Du vom Kahlenberg das Land Dir rings besehn, so wirst Du, was ich schrieb und was ich bin, verstehn“. Tatsächlich prägte Wien jeden Federzug Grillparzers. Seine Figuren waren die Wiener selbst, wie sie ihm in den Gassen, Märkten und Höfen der Residenzstadt begegneten, ganz gleich ob er ihnen die Gewänder klassischer Tragödienhelden anlegte (Sappho, 1818), sie in die mythische Vorgeschichte Böhmens (Libussa, 1848), ins Mittelalter versetzte (König Ottokars Glück und Ende, 1825), oder aber unmittelbar nach dem Leben zeichnete wie in seiner Novelle Der arme Spielmann (1848). Die Liebe zu seiner Heimatstadt Wien war indes keine einfache. Von den Zensoren Metternichs stets verdächtigt und im Schreiben behindert, mochte er dennoch nicht in den Chor der Jungdeutschen nach radikalen Reformen einstimmen: Er führe „Von Humanität / Durch Nationalität / Zur Bestialität.“ Trotz aller Drängnisse seiner Zeit lagen dem Altphilologen Grillparzer das „sanfte Gesetz“ und die kluge Behutsamkeit Adalbert Stifters näher als der Lärm moderner Parolen.
Trennt uns denn wirklich eine Nationalität? Ich hasse diese Modeworte, die nicht sowohl das Zusammengehörige vereinen, als das trennen, was zusammengehört. Das Beste, was der Mensch sein kann, ist er als Mensch, und was die Nationen unterscheidet, sind mehr ihre Fehler als ihre Vorzüge. Ich spreche daher zu Ihnen als Landsmann.
Franz Grillparzer (1861)