Stefan Zweig – In der ganzen Welt zuhaus in Wien
Drei Leben habe er gelebt, stellte Stefan Zweig (1881–1942) rückblickend fest. Das letzte begann 1933 mit der Übersiedlung nach England. Es sollte den „Juden aus Zufall“ und Europäer aus Überzeugung zuletzt nach Petrópolis nahe Rio de Janeiro und dort in einen Gifttod „aus freiem Willen und mit klaren Sinnen“ treiben.
Als ein zweites Leben galten Zweig die Jahre nach 1919, die er auf dem Salzburger Kapuzinerberg verbrachte und während derer er mit seinen Novellen, Romanen, historischen Arbeiten wie Übersetzungen zu einem Schriftsteller von Weltruhm aufstieg. Schon in glücklicheren Jahren, lange vor der bitteren, erzwungenen Wanderschaft, war Stefan Zweigs Leben das eines Zugvogels. Reisen nach Amerika, Russland und Indien ebenso wie lange Aufenthalte in Berlin, Paris und Zürich, während derer er sich die innige Freundschaft von Künstlern aus ganz Europa erwarb, bezeugen es. Dennoch blieb Wien, die Stadt seiner Jugend und des „ersten Lebens“, dem Kosmopoliten und Humanisten bis zuletzt die wahre geistige Heimat. Hier hatte er als Schüler heimlich unter der Bank von Hofmannsthal und Rilke gelesen, hier hatte Theodor Herzl dem Studenten zum literarischen Durchbruch verholfen, hier lernte er Sigmund Freud und die Psychoanalyse kennen, die für sein Werk zeitlebens von Bedeutung war. Eine Heimat, deren Verlust er kurz vor seinem Tode in der postum veröffentlichten Biographie Die Welt von Gestern (1944) noch einmal eindringlich besang.
Wien ist eine Stadt für Feste, das sieht man. […] Und wie das Frohsein zu den Leuten passt, zu den Mädchen, die weiß wie Schmetterlinge jetzt überall flattern.
Stefan Zweig, Tagebücher (1915)