Jack Unterweger – Dandy und Serienmörder
Die Literaturszene hatte ihre Sensation. Jack Unterweger (1950–1994) hatte vom Leben wahrlich keine Vorschüsse bekommen, war kein Musensohn, sondern ein Kleinkrimineller und Zuhälter, bis er 1976 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. In der Zelle jedoch erhörte der so früh wie gründlich Gescheiterte den Ruf zur Feder. Von einem läuternden Fieber gepackt verschlang Unterweger die österreichischen Klassiker, las Handke und Bernhard und übte die eigene Schreibe. Den rohen Ton eines „Zuchthäuslerbalges“ formte er zu seiner Autobiographie Fegefeuer oder die Reise ins Zuchthaus (1983). Ein durchschlagender Erfolg – für die Literatur wie für Unterweger: Auf der Liste derer, die sich nicht nur für die Lebensbeichte begeisterten, sondern sich auch für die Rehabilitation des Autors einsetzten, waren große Namen wie Elfriede Jelinek und Günther Nenning. 1990 auf Bewährung entlassen, genoss Unterweger als gefeierter Dandy der Gesellschaft Wiens den Ruch des faszinierend Abgründigen. Bereits sechs Monate nach seiner Entlassung erwürgte er eine junge Frau in Prag. Mindestens acht weitere Frauen wurden Opfer des zwanghaft Mordenden. Aggressiv wehrte er sich in der Presse gegen den frühen Verdacht der Behörden. Durch eine der ersten DNA-Analysen der Kriminalgeschichte schließlich überführt, erhängte sich Jack Unterweger in der Nacht zum 29. Juni 1994 in U-Haft mit dem Gummizug seiner Jogginghose. Er hatte ihn zum selben Knoten geschlungen, den er auch bei seinen Opfern angewandt hatte. Die Literaturszene hatte ihre Sensation.
Die Gedanken lenken die Blicke zum Waschbecken. Eine neue Packung Rasierklingen liegt bereit. Auch eine lange, starke Lederschnur. Ich habe vorgesorgt für die Minute der letzten Entscheidung.
Jack Unterweger, Fegefeuer oder die Reise ins Zuchthaus (1983)