Melange und Moderne – das „Junge Wien“
Die moderne, wilde Literatur zu Beginn des letzten Jahrhunderts war eine echte Wiener Kaffeeschaumgeburt: die rauchschwangere Luft des Café Griensteidl am Michaelerplatz, die nervöse, hitzige Stimmung des Fin de Siècle und eine lose Gruppe junger, tatendurstiger Künstler – das war die Lebenswelt des „Jungen Wien“ und der Zündstoff für eine Literatur, wie sie die Welt noch nicht gelesen hatte. In der Mitte dieser Brutstätte der Moderne ragte die imposante Gestalt des Schriftstellers und Kritikers Hermann Bahr (1863–1934) auf. Er war das Herz und der pochende Puls der vielgesichtigen Bewegung der „Jungwiener“: „Er regte alle auf und regte alle an durch die Verwegenheit seines Geistes, der in Wort und Schrift nur so Funken spritzte“ – so Felix Salten, der selbst zum Kreis der neuen Literaten gehörte, ebenso wie Richard Beer-Hofmann, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal, um nur einige wenige zu nennen. Ihnen gemein war das Umstürzlerische: Sie wandten sich ab vom belehrenden Naturalismus der Akademien, sogen stattdessen gierig die neuen Strömungen der Kunstwelt auf und mischten sie zu einer aufregenden, frischen – und echten Wiener Literatur.
Ja, nur den Sinnen wollen wir uns vertrauen, was sie verkündigen und befehlen. Sie sind die Boten von draußen, wo in der Wahrheit das Glück ist. Ihnen wollen wir dienen.
Hermann Bahr, Überwindung des Naturalismus (1891)