Thomas Bernard – Die hohe Kunst der Tirade
Die Gesellschaft war Thomas Bernhards (1931–1989) großes Thema. Gesellig war er nie. In den 1960ern, als er mit Gedichten und seinem hochgelobten Roman Frost (1963) debütierte, teilte man das literarische Wien bald in drei separate Gruppen ein: den Kreis um Hans Weigel, jenen um H.C. Artmann und Ernst Jandl, und – Bernhard, den man stets alleine am Tisch im Café Hawelka oder später im Bräunerhof antraf. Wenn man ihn überhaupt antraf. Denn schon bald bezog er einen alten Vierkanthof als Trutzburg gegen den ihm demonstrativ lästigen Kunst- und Kulturbetrieb. Von dort drangen in reger Folge Dramen und Erzähltexte nach außen, in denen er die gescheite, aber eben auch bitterböse Tirade zur Kunstform erhob. In langen Monologen granteln seine Erzähler und Figuren gegen den „Stumpfsinn“ „schwachsinniger Zeitalter“. Die galligen Rundumschläge des Einzelgängers erzeugten ein enormes öffentliches Echo – legendär wurde die Schlammschlacht um die Inszenierung von Heldenplatz (1988), dem letzten Stück des lungenkranken Bernhard. Wochenlang übten sich Politik und Medien in Empörung über dessen „Geschichtszertrümmerung“ und infame Entweihung des Burgtheaters. Mit der Literaturkritik hingegen hatte der Virtuose der schlechten Laune stets leichtes Spiel: Sie erhob dessen Dramen und Erzähltexte schnell zu Klassikern österreichischer Literatur.
Es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt ... Die Zeitalter sind schwachsinnig, der Staat ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern, das Volk ein solches, das ununterbrochen zur Infamie und zur Geistesschwäche verurteilt ist ... Wir sind Österreicher, sind apathisch ... Mittel zum Zwecke des Untergangs, Geschöpfe der Agonie.
Thomas Bernhard (1968)