Barocke Anarchie – Der Hanswurst
Heute enthalten selbst Schulbücher die Schwänke des Schelmen mit der Zipfelmütze. In jungen Jahren wäre das dem Hanswurst nicht passiert, als er im Sturmlauf die Wiener Bühnen eroberte und Wanderschauspieler den Liebling der Massen in jeden Winkel des Reiches trugen. Sein Schöpfer Joseph Anton Stranitzky (1676–1726), selbst ein bunter Hund, hatte ihn als Bastard verschiedener barocker Stegreiffiguren entworfen. Ein unverschämter Bursche: Seine Kleidung wies ihn als harten Außenseiter aus und mit einer grotesken Lust am Ungehörigen verstieß er gegen alles, was Anstand und Ordnung geboten. Er gab sich hemmungslos seiner Fleisches- und Saufgier hin, war feige und verschlagen. Oft frei improvisiert schleuderte er verbalen Unflat ringsum und log, dass sich Balken und Grammatik bogen – ein anarchisches Spektakel, dem erst josephinische Reformen Einhalt geboten. Nestroy und Raimund huldigten dem Alt-Wiener Relikt zwar, ebenso wandeln Figuren wie Leporello aus Mozarts Don Giovanni und noch Hašeks Schwejk auf seinen Spuren. Die barocke Zügellosigkeit aber passte nicht ins Korsett der neuen Zeit. Und so ist der einstige Anarchist brav geworden.
„So heißt ihr Wursthans?“
„Umgekehrt ist auch gefahren, Kutscher.“
„So heißt ihr Hanswurst?“
„Richtig getroffen.“
„Und wie heißt euer Vater?“
„Monsieur Stockfisch!“
Johann Schäble, Der Mythos des Faustus (1860)