Božena Němcovás Grossmutter (Babička)
Mit ihrer 1855 erschienenen Babička (Die Großmutter) hat die tschechische Autorin Božena Němcová (1820-1862) eine der schönsten Frauengestalten der Weltliteratur und das bedeutendste Prosawerk der tschechischen Literatur geschaffen. In dem Roman werden die ländlichen Gebräuche und Sitten Böhmens und Altösterreichs erzählt und die Menschen geschildert, denen die Autorin in ihrer Kindheit begegnet war: Pfarrer, Lehrer, Mägde, Knechte, Müller, Förster u.a. Im Mittelpunkt der in Ostböhmen angesiedelten Handlung steht eine Großmutter, die mit schlichter Weisheit, Güte und Liebe ein Idealbild mütterlicher Fürsorge verkörpert.
Franz Kafka muß dieses Werk, das er neben einem Band mit ausgewählter Korrespondenz der Autorin in seiner Bibliothek stehen hatte, als Idyll wahrgenommen haben, als einen Gruß aus einer längst vergangenen Zeit. Aber er liebte den Roman, empfahl ihn nachdrücklich seinen Schwestern zur Lektüre und schwärmte von Němcovás Sprachmusik voller Entschlossenheit, Leidenschaft, Lieblichkeit und hellsichtiger Klugheit.
Daraus siehst du, daß die Armen nicht so ganz elend sind, wie wir uns denken; sie haben wirklich mehr Paradies, als wir uns einbilden und selbst besitzen.
K. F. Gutzkow
Wenn Großmutter Brot buk, hatten die Enkelchen Kirmes. Jedes bekam dann je einen Flammenkuchen und ein kleines Brötchen, gefüllt mit Zwetschken oder Äpfeln, was es für sie früher nicht gegeben hatte. Sie mussten sich aber gewöhnen, auf die Brotkrumen achtzugeben. „Die Brosamen gehören dem Feuerlein“, pflegte Großmutter zu sagen, wenn sie die Krümchen vom Tische kehrte und ins Feuer warf.
Božena Němcová, Die Großmutter
Lang, lang schon ist’s her, da ich zuletzt in dieses liebe, friedliche Antlitz schaute, die bleichen Wangen voll Runzeln küsste und in das blaue Auge hineinblickte, darin so viel Güte und Liebe sich spiegelte …
Božena Němcová, Die Großmutter