Kafkas Urteil
In nur einer einzigen Nacht im September 1912 verfaßte Kafka die Erzählung Das Urteil. Es war nicht lange nach der ersten Begegnung mit Felice Bauer, der diese Erzählung auch gewidmet ist. Die Anfangsbuchstaben von Felice Bauer stimmen mit denen des Namens der Verlobten (Frieda Brandenfeld) im Urteil überein. Die autobiographisch unterlegte Geschichte des jungen Kaufmannes Georg Bendemann eröffnete einen Reigen vollendeter Meisterwerke, die nunmehr erreichte stilistische Vollkommenheit sollte für alle weiteren Werke Kafkas zur Norm werden.
Am 4. Dezember 1912 präsentierte Kafka seine Erzählung im Rahmen einer Autorenlesung im Vortragssaal des Hotels Erzherzog Stephan auf dem Prager Wenzelsplatz; 1913 erschien die Erzählung im Jahrbuch für Dichtkunst Arkadia in Leipzig und drei Jahre später wurde sie schließlich als Einzelband im Leipziger Kurt Wolff-Verlag veröffentlicht.
Seine Sprache ist kristallklar, und an der Oberfläche merkt man gleichsam kein anderes Bestreben, als richtig, deutlich, dem Gegenstand angemessen zu sein. Und doch ziehen Träume, Visionen von unermeßlicher Tiefe unter dem heiteren Spiegel dieses reinen Sprachbaches. Man blickt hinein und ist gebannt von Schönheit und Eigenart.
Max Brod
Wie das Dienstmädchen zum ersten Mal durchs Vorzimmer ging, schrieb ich den letzten Satz nieder. [...] Nur so kann geschrieben werden, nur in einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele.
Franz Kafka, Tagebücher