Kafka in Wien
Wien – für die Untertanen seiner apostolischen Majestät war die Kaiserstadt ein pulsierendes Kraftzentrum, der Mittelpunkt eines festgefügten und auf die Ewigkeit ausgerichteten Staatswesens. Das galt auch für Kafka, obschon ihm die starken Zentrifugalkräfte nicht verborgen blieben, die dann im Ersten Weltkrieg entfesselt wurden. Kafka haßte Wien, in dem er „unglücklich werden müßte“. Aber Wien war auch aufs Engste verbunden mit seiner hier lebenden Geliebten Milena Jesenská. Eine Wiener Universitätsklinik war schließlich eine der letzten Stationen auf Kafkas Leidensweg, ehe er unweit von Wien starb.
Die Märtyrer unterschätzen den Leib nicht, sie lassen ihn auf dem Kreuz erhöhen. Darin sind sie mit ihren Gegnern einig.
Franz Kafka, Aphorismen
Fahrt nach Wien, [...] Bahnhof Heiligenstadt, leer mit leeren Zügen. In der Ferne sucht ein Mann den plakatierten Fahrplan ab. (Jetzt sitze ich auf der Stufe der Herme eines Teophil Hansen) [...]. Hotel Matschakerhof. 2 Zimmer mit einem Zugang. Wähle das Vordere. Unerträgliche Wirtschaft. Muß mit P. noch auf die Gasse. [...] (Eben betrachtet ein Herr den Theophil Hansen, ich sitze wie seine Klio).
Franz Kafka, Tagebücher