Kafka in Marienbad
Eine Geschäftsreise hatte Kafka im Kriegsjahr 1916 ein erstes Mal in den westböhmischen Kurort Marienbad geführt. Da gefiel es ihm so ausnehmend gut, daß er im Juli selbigen Jahres einen längeren Urlaub in dem Städtchen zu verbringen gedachte. Kafkas vormalige Braut Felice wollte sich ihm anschließen, so mieteten sie diskret in dem eleganten Hotel „Schloß Balmoral und Osborne“ zwei nebeneinanderliegende Zimmer. Felice wartete bereits auf Kafka, als dieser am 3. Juli in Marienbad eintraf. Die erste Nacht wurde jedoch zu einer Enttäuschung für den Schriftsteller: „Unglückliche Nacht. Unmöglichkeit, mit F. zu leben. Unerträglichkeit des Zusammenlebens mit irgend jemanden. Nicht Bedauern dessen; Bedauern der Unmöglichkeit, nicht allein zu sein.“
Aber bald schon ging es besser, Kafkas Kopfschmerzen schwanden, Ausflüge wurden unternommen und bald schon kam das Paar ein zweites Mal überein, vor den Altar zu schreiten. Nach dem Krieg wollte man in einem Berliner Vorort ein gemeinsames Leben führen, „jedem nur die wirtschaftliche Sorge für sich“ überlassen.
Man darf niemanden betrügen, auch nicht die Welt um ihren Sieg.
Franz Kafka, Aphorismen
Erster Tag in Marienbad mit Felice. Tür an Tür, von beiden Seiten Schlüsseln.
Franz Kafka an Max Brod
Dann in Marienbad sehr lieb von F. vom Bahnhof abgeholt, trotzdem verzweifelte Nacht in häßlichem Hofzimmer. Übrigens die bekannte erste Verzweiflungsnacht. Montag Übersiedlung in ein außerordentlich schönes Zimmer, wohne jetzt nicht geringer als im „Schloß Balmoral“. Und darin werde ich versuchen den Urlaub zu bewältigen, fange mit der bisher nicht ganz gelungenen Bearbeitung des Kopfschmerzes an.
Franz Kafka an Max Brod