Kafka in Berlin
Berlin war ein quirliges Zentrum, eine aufstrebende Metropole und nicht zuletzt einer der Brennpunkte Deutschlands. Hier gab es für Kafka ein riesiges potentielles Publikum, einen interessanten Markt, den etliche seiner Prager Kollegen schon mit durchaus beachtlichem Erfolg erobert hatten. Die deutsche Hauptstadt spielte auch in Kafkas Privatleben eine bedeutende Rolle: In Berlin verbrachte er Ferientage mit Theaterbesuchen, dort lebte seine Verlobte Felice Bauer. Manch familiäres Drama fand seinen Schauplatz in der preußischen Metropole, etwa seine offizielle Verlobung unter Beisein seiner Prager Mischpoche am 30. Mai 1914. An der Spree wollte er sich sogar niederlassen, „nach dem Krieg“, wenn sich alles zum Guten gewendet haben würde. Mit Dora Diamant ging dieser Wunsch für kurze Zeit in Erfüllung.
Ich muß also außerhalb Österreichs [...] zunächst nach Deutschland und dort nach Berlin, wo die meisten Möglichkeiten sind, sich zu erhalten. Dort kann ich auch im Journalismus meine schriftstellerischen Fähigkeiten am besten und unmittelbarsten ausnützen und einen mir halbwegs entsprechenden Gelderwerb finden. [...] Das aber glaube ich bestimmt zu wissen, daß ich aus dieser selbständigen und freien Lage, in der ich in Berlin sein werde, (sei es im übrigen auch noch so elend) das einzige Glücksgefühl ziehen werde, dessen ich jetzt noch fähig bin.
Franz Kafka, Tagebücher