Das Prager Tagblatt
Eine weit über die Grenzen Böhmens hinaus verbreitete Zeitung erschien in der Prager Herrengasse – das deutschliberale Prager Tagblatt. Zunächst war es nur ein Inseratenblatt, bald schon wurden aber auch redaktionelle Texte aufgenommen, und in seinen besten Zeiten wuchs das Blatt auf einen Umfang von mehreren Dutzend Seiten an. Nicht nur Franz Kafka bestückte die Zeitung mit Beiträgen – ein ganzes Heer berühmter Persönlichkeiten, Käuze und Originale wirkte hier, von Egon Erwin Kisch, der sich hier als Volontär erste Journalistensporen verdiente, über Friedrich Torberg, der einige der komischsten Zeitungs-Schnurren in seiner Tante Jolesch festhielt, bis zu Kafkas Freund Max Brod, der als langjähriger Theater- und Musikkritiker für das Prager Tagblatt arbeitete und seiner Zeitung schließlich mit dem Roman Rebellische Herzen ein Denkmal setzte.
Am Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag wurde die Zeitung dann zu einem Sprachrohr der Nationalsozialisten. Nach dem Krieg konnte das Tagblatt nicht mehr wiedererstehen.
Im Prager Tagblatt lehnte man alles ab, was ans Fassadenhaft-Imposante oder „Tierisch-Ernste“ (so nannte man es hier) auch nur von fern erinnerte. Das Prager Tagblatt wurde nach ganz anderen Prinzipien redigiert. Es war ein europäisches Kuriosum – als solches in Berufskreisen und weit über sie hinaus bekannt. Eine Sehenswürdigkeit, die nirgends ihresgleichen hatte.
Max Brod, Prager Tagblatt