Jüdisches Theater
Vom Oktober 1911 an besuchte Kafka regelmäßig die Aufführungen einer ostjüdischen Theatergruppe im Café Savoy in der Prager Altstadt. Bald kannte Kafka die Liedertexte auswendig und sang begeistert mit. Jizchak Löwy, der Kopf und gute Geist der Truppe, beeindruckte Kafka tief, und in kurzer Zeit entwickelte sich zwischen den beiden ein freundschaftliches Verhältnis. Bei diesem chassidischen Juden aus Warschau fand Kafka das authentische Judentum, das er im assimilierten Westjudentum seines Vaters völlig vermißte. Gierig verschlang er in der Folge Bücher über jüdische Themen. Kafka organisierte im Februar 1912 einen Rezitationsabend der Theatertruppe im Festsaal des Jüdischen Rathauses in Prag und leitete ihn mit einem eigenen Vortrag über den Jiddischen Jargon ein.
Löwy – Mein Vater über ihn: Wer sich mit Hunden zu Bett legt, steht mit Wanzen auf. Ich konnte mich nicht halten und sagte etwas Ungeordnetes. Darauf der Vater besonders ruhig [...]: „Du weißt, daß ich mich nicht aufregen darf und geschont werden muß. Komm mir also noch mit solchen Sachen. Ich habe der Aufregungen gerade genug, vollständig genug. Also laß mich mit solchen Reden.“ Ich sage: „Ich strenge mich an, mich zurückzuhalten“, und fühle beim Vater wie immer in solchen äußersten Augenblicken das Dasein einer Weisheit von der ich nur einen Athemzug erfassen kann.
Franz Kafka, Tagebücher