Erster Weltkrieg
Kafka war weder Pazifist noch konnte er sich der Stimmung der Kriegsbegeisterung zu Beginn des Ersten Weltkrieges entziehen. In seinen Briefen und Tagebüchern sind Kommentare und Einschätzungen zu Kriegsbeginn und -verlauf jedoch rar. Vielleicht um sich aus seinem Dasein als Versicherungsbeamter zu befreien, vielleicht um einen Bruch mit seinem bürgerlichen Leben herbeizuführen, unternahm Kafka (erfolglose) Anstrengungen, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden. „In den schweren Stiefeln, die ich heute zum ersten Mal angezogen habe, steckt ein anderer Mensch“, ließ er seine Braut Felice in einem Brief wissen.
Kafka wurde 1915 zwar als militärisch „voll verwendungsfähig“ eingestuft und zur III. Ersatzkompagnie des k. u. k. Infanterie-Regiments Nr. 28 eingeteilt, doch sein Arbeitgeber machte ihm einen Strich durch die Rechnung: Kafka sei eine „unersetzliche Fachkraft“, die vor Ort im Amt bleiben und deshalb vom Landsturmdienst enthoben werden müsse.
Ich entdecke in mir nichts als Kleinlichkeit, Entschlußunfähigkeit, Neid und Haß gegen die Kämpfenden, denen ich mit Leidenschaft alles Böse wünsche.
Tagebucheintrag vom 5. August 1914
Patriotischer Umzug. Rede des Bürgermeisters. Dann Verschwinden, dann Hervorkommen und der deutsche Ausruf: „Es lebe unser geliebter Monarch, hoch!“ Ich stehe dabei mit meinem bösen Blick. Diese Umzüge sind eine der widerlichsten Begleiterscheinungen des Krieges.
Franz Kafka, Tagebücher