Dora Diamant, Kafkas letzte Liebe
Anfang Juli 1923 lernte Kafka in einer Ferienkolonie in Müritz an der Ostsee ein natürliches und einfaches Mädchen kennen: die aus einer orthodox-chassidischen Familie aus Polen stammende, zwanzigjährige Dora Diamant. Schon im Herbst zog der todkranke Schriftsteller zu dieser, seiner letzten Liebe nach Berlin. In der hungernden Großstadt träumte Kafka davon, nach Palästina auszuwandern, um dort ein Restaurant zu eröffnen – mit Dora als Küchenchefin. Vom Krankenbett aus hielt Kafka beim Vater um die Hand des Mädchens an, doch die Werbung wurde zurückgewiesen. Als Kafka einige Monate später auf seinem Sterbebett lag, stand Dora ihm treu zur Seite. Erst nun, im Angesicht des Todes, fühlte er sich reif für eine Ehe.
Die sinnliche Liebe täuscht über die himmlische hinweg; allein könnte sie es nicht, aber da sie das Element der himmlischen Liebe unbewußt in sich hat, kann sie es.
Franz Kafka, Aphorismen
Abends saßen wir alle auf Bänken an langen Tischen. Ein kleiner Junge stand auf und wurde, als er hinausging, so verlegen, daß er hinfiel. Kafka sagte zu ihm mit vor Bewunderung leuchtenden Augen: „Wie geschickt bist du gefallen und wie geschickt wieder aufgestanden!“ Diese Worte schienen mir, als ich später wieder an sie dachte, ausdrücken zu wollen, daß alles zu retten sei – außer Kafka. Kafka war unrettbar.
Dora Diamant