Der arme Spielmann
Die aus dem Jahr 1848 stammende Meisternovelle Der arme Spielmann gehört zum festen Bestand klassischer Erzählkunst. Der österreichische Dichter Franz Grillparzer (1791-1872) verband den Rahmen persönlicher Betrachtung mit der eigentlichen Handlung – die tragische Lebensgeschichte des Musikanten Jakob, in der manche Motive aus dem Leben des Autors erkennbar sind.
Kafka liebte die Geschichte vom armen Spielmann. Er las seiner Schwester Ottla aus der Novelle vor, erkannte im Spielmann das Männliche an Grillparzer, der „alles wagen kann und nichts wagt, weil schon nur Wahres in ihm ist“. Im Jahr 1920 schickte er das Buch Milena Jesenská, nicht etwa, weil der Spielmann eine so große Bedeutung für ihn hätte – dies sei einmal vor Jahren so gewesen – sondern „weil er so wienerisch, so unmusikalisch, so zum Weinen“ sei. Er wußte die Geschichte bei Gelegenheit auch kritisch einzuordnen, fand dann an ihr sogar eine Menge Unrichtigkeiten, Lächerlichkeiten, Dilettantisches.
Das Mädchen galt bei meinen Kameraden nicht für schön. Sie fanden sie zu klein, wußten die Farbe ihrer Haare nicht zu bestimmen. Daß sie Katzenaugen habe, bestritten einige, Pockengruben aber gaben alle zu. Nur von ihrem stämmigen Wuchs sprachen alle mit Beifall, schalten sie aber grob, und einer wußte viel von einer Ohrfeige zu erzählen, deren Spuren er noch acht Tage nachher gefühlt haben wollte.
Franz Grillparzer, Der arme Spielmann