Das Prager Tagblatt
Eine der besten Zeitungen des deutschsprachigen Raums erschien in Prag, Breite Straße 8/9 – das Prager Tagblatt, immer wieder auch von Kafka gelesen oder gar mit Beiträgen bestückt: in der Morgenausgabe des 6. Januar 1917 etwa mit der Erzählung Ein Traum, oder in der Osterbeilage des Jahres 1924 mit der Erzählung Eine kleine Frau. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1938 war die Zeitung den Prager Deutschen verläßlicher Berichterstatter, Lokalanzeiger, Kulturführer. Ein Heer berühmter Namen, Käuze und Originale wirkte mit, von Egon Erwin Kisch, der hier als Volontär erste Journalistenluft atmete, über Friedrich Torberg, der einige der komischsten Zeitungs-Schnurren in seiner Tante Jolesch für die Zukunft bewahrte, bis zu Kafkas Freund Max Brod, der als langjähriger Theater- und Musikkritiker seine Zeitung gar in dem Roman Rebellische Herzen verewigte.
Zeitungen erscheinen in Prag in deutscher Sprache: Die beiden Tagesblätter „Bohemia“ und „Prager Tagblatt“ (wochentags zwei Ausgaben), dann das „Deutsche Abendblatt“ und das „Montagsblatt aus Böhmen“. Als Regierungsblatt erscheint wochentags das „Prager Abendblatt“. Es gibt auch noch eine tschechische Zeitung in deutscher Sprache, die „Union“. Die anderen (parteipolitischen) Zeitungen dürften den Fremden nicht interessieren.
Griebens Reiseführer Prag, 1911