Leo Perutz – Der Zahlenkünstler
„Sie haben ja Lücken in Ihrer Unbildung!“ – solche und ähnliche Sätze musste sich gefallen lassen, wer Leo Perutz zu nahe kam, wenn er, einem Pharao gleichend, als bereits etablierter Schriftsteller in seinem Wiener Stammkaffeehaus saß. Der Weg dorthin war jedoch nicht ganz leicht gewesen: Leopold Perutz, 1882 in Prag geboren, musste mehrere Schulen wegen schlechten Betragens oder ungenügender Leistungen verlassen. An der Universität Wien konnte er sich folglich nur als Gasthörer einschreiben, arbeitete anschließend als Mathematiker bei verschiedenen Versicherungsanstalten. Mit dem Schreiben hatte Perutz bereits als Schüler begonnen, er war zudem mit zahlreichen Schriftstellern persönlich bekannt. Seine Romane waren von Anfang an erfolgreich, ein Millionenpublikum erreichte Perutz jedoch erst 1928 mit Wohin rollst du, Äpfelchen?, der Geschichte einer Verfolgungsjagd aus Rache.
1938 floh Perutz mit seiner Familie ins Exil nach Palästina, wo sich der Schriftsteller aber nicht besonders wohl fühlte. Nach dem Krieg kehrte er deshalb nach Österreich zurück, wo er 1957 starb. Den großen Erfolg, welchen sein kunstvoll aufgebauter Prag-Roman Nachts unter der steinernen Brücke (1953) später feiern sollte, erlebte er nicht mehr.
Seine Glieder waren zerschmettert, und aus einer Wunde am Hinterkopf floss Blut. Nur seine Augen wanderten. Seine Augen lebten. Seine Augen irrten ruhelos durch die Straßen der Stadt, schweiften über Gärten und Plätze, tauchten unter in der brausenden Wirrnis des Daseins, stürmten Treppen hinauf und hinunter, glitten durch Zimmer und durch Spelunken, klammerten sich noch einmal an das rastlose Leben des ewig bewegten Tages, spielten, bettelten, rauften um Geld und um Liebe, kosteten zum letztenmal vom Glück und Schmerz, von Jubel und Enttäuschung, wurden sehr müde und fielen zu.
Leo Perutz, Zwischen neun und neun
Gott ist eine mathematische Formel, die die Welt lenkt.
Leo Perutz