Franz Kafka – Der ewige Prager
Ein Gedicht von Franz Kafka (1883–1924) – eine Seltenheit im Werk des bekanntesten Prager Schriftstellers, der für Erzählungen wie Das Urteil (1913) oder Die Verwandlung (1915) und für unvollendete Romane wie Der Prozess (geschrieben 1914/15) oder Das Schloss (geschrieben 1922) auf der ganzen Welt berühmt ist. In seiner Geburtsstadt Prag, von der er trotz mehrerer Anläufe sein Leben lang nie endgültig loskam, begegnet man Kafka auf Schritt und Tritt: Seine zahlreichen Wohnstätten sind im ganzen Stadtkern verteilt, Kaffeehäuser locken die Touristen mit seinem Namen und unzählige Mosaiksteinchen in Kafkas Texten spiegeln seine Heimatstadt an der Moldau wider – wie auch das dreistrophige Gedicht, das er mit zwanzig Jahren an seinen Freund, den späteren Kunsthistoriker Oskar Pollak, schrieb.
Menschen, die über dunkle Brücken gehn,
vorüber an Heiligen / mit matten Lichtlein.
Wolken, die über grauen Himmel ziehn
vorüber an Kirchen / mit verdämmernden Türmen.
Einer, der an der Quaderbrüstung lehnt
und in das Abendwasser schaut, / die Hände auf alten Steinen.