Ferdinand von Saar
1833–1906
Der Dramatiker, Lyriker und Erzähler Ferdinand von Saar wurde am 30. September 1833 in Wien als Sohn einer Familie nicht begüterten Beamtenadels geboren. Er verlor mit kaum fünf Monaten seinen Vater und wuchs mit seiner Mutter Karoline – und seinem Vetter, dem später berühmt gewordenen Maler August von Pettenkofen (1822–1889) – im Hause seines Großvaters nach der Mutter auf. Nach dem Besuch des Schottengymnasiums, wo er durch seine Lesegier auffiel, trat er 1849 als Kadett in die kaiserliche Armee ein und wurde schließlich 1854 Offizier. Ein Studium an der Universität war ihm, da seine Mutter in bitterer Armut lebte, schon aus finanziellen Gründen verwehrt. 1855 wurde Ferdinand von Saar für einige Jahre mit seinem Infanterie-Regiment nach Prag versetzt. Auf der Vyšehrader Zitadelle, wo der junge Mann oft zur Wache eingeteilt war, bezog er seine Anregung zu der autobiographisch verbrämten Novelle Innocens.
Von Prag aus wurde Ferdinand von Saar an die Front verlegt: Bald nach der Teilnahme am Italienfeldzug des Jahres 1859 quittierte er den Dienst in der Armee und versuchte fortan, sich als freier Schriftsteller über Wasser zu halten. Die Einkünfte aus seinem dichterischen Schaffen reichten allerdings nicht für ein standesgemäßes Leben aus, so daß er, vom Wohlwollen aristokratischer Gönner abhängig, ständig in materiell ungesicherten Verhältnissen zu leben hatte. Mehrmals ließen Gläubiger den Dichter wegen Schulden, die er erst im fortgeschrittenen Alter rückzuzahlen in der Lage war, ins Gefängnis werfen. Von Saar lebte nicht nur in Wien, sondern auch als geduldeter Gast auf den gräflich Salm’schen Schlössern Blansko bei Brünn und Raitz in Mähren oder in den Jahren 1873 und 1874 im malerischen Markt Ehrenhausen in der Südsteiermark. Aus finanziellen Gründen konnte von Saar erst relativ spät, im 48. Lebensjahr, heiraten. Die Ehe war zwar glücklich, aber nicht von Dauer, da sich seine Gattin nach drei gemeinsamen Jahren das Leben nahm.
Versuchte Ferdinand von Saar in jüngeren Jahren als Dramatiker hervorzutreten, so wandte er sich schließlich, nachdem der erhoffte Erfolg ausgeblieben war, der Blüte und Krone der Dichtkunst, der Lyrik und schließlich der Kunst der Novelle zu.
Im Jahre 1876 erschienen Saars fein ziselierte, mit stark autobiographischem Charakter versehene Novellen aus Österreich (unter ihnen die 1866 erstmals veröffentlichte Novelle Innocens), in denen von Saar bereits seine Stellung als realistisch-pessimistischer Erzähler in der Nachfolge eines Grillparzer oder Storm deutlich machte, aber stellenweise auch noch der romantischen Kunstauffassung etwa eines Eichendorff verhaftet blieb. Auch in seinen weiteren Novellen blieb von Saar, der literarisch vieles gemein hat mit der mährisch-österreichischen Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach, dieser Tradition verhaftet. Als feinsinniger Schilderer der Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts – Aristokraten, Offiziere, Bürger und einfache Leute – beleuchtete Ferdinand von Saar nicht nur die Glanzseiten, sondern auch die dunklen Winkel der ihrem Untergang zutreibenden Habsburger Monarchie. Er ließ damit, obwohl thematisch noch eng der Vergangenheit verhaftet, das Zukünftige, die bevorstehenden Veränderungen und Eruptionen, erahnen. Ferdinand von Saar schrieb sich als ein zwar den rasch wechselnden Moden fremder, seinem Jahrhundert aber gerade deshalb umso eher gerecht werdender Dichter des alten Österreich, zugleich aber auch als ein bedeutender Wegbereiter der Moderne, in die deutschsprachige Literaturgeschichte ein.
Gegen Ende seines Lebens wurden dem Dichter, der lange ohne die gebührende Anerkennung auskommen hatte müssen, späte Ehrungen zuteil. Im Jahre 1902 wurde er gar zum Mitglied des „Herrenhauses“ im Reichsrat ernannt. An seiner pessimistischen und grüblerischen Grundhaltung vermochte das allerdings nichts zu ändern. Zuletzt litt der schwermütige Dichter an einem qualvollen Darmkrebs. Am 24. Juli 1906 machte er dem Elend in seiner kleinen Wohnung in Wien-Döbling mit einem alten Armeerevolver ein vorzeitiges Ende.